Wie eine aktuelle experimentelle Studie zeigt, müssen Schweizer*innen mit Migrationshintergrund rund 30% mehr Bewerbungen einreichen als Personen schweizerischer Herkunft, um zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Diese Diskrepanz zeigt, dass Schweizer Bürger*innen mit Migrationshintergrund, die in der Schweiz ausgebildet sind und über Schweizer Diplome verfügen, auf dem Arbeitsmarkt aufgrund der ausländischen Herkunft ihrer Eltern ungleich behandelt werden.

Das Ausmass der Diskriminierung variiert deutlich zwischen den vier getesteten Herkunftsgruppen. Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass sich eine ethnische Hierarchie im schweizerischen Arbeitsmarkt gebildet hat. Schweizer*innen kosovarischer Herkunft sind am stärksten von Diskriminierung betroffen (sie müssen 40% mehr Bewerbungen einreichen als Kandidat*innen schweizerischer Herkunft, um zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden). Es folgen die Nachfahren kamerunischer Einwanderer*innen (30% mehr Bewerbungen) und Schweizer Bürger*innen aus zwei Nachbarländern (mit französischer Herkunft in der Westschweiz und deutscher Herkunft in der Deutschschweiz, die 20% mehr Bewerbungen einreichen müssen als Schweizer Bewerber*innen). Schliesslich haben Schweizer*innen türkischer Herkunft auch weniger gute Chancen als Bewerber*innen schweizerischer Herkunft (20% mehr Bewerbungen), wobei dieser Unterschied statistisch nicht signifikant ist.

Das Ausmass der Diskriminierung bei der Anstellung variiert von einem Beruf zum anderen, ist aber insbesondere im Bereich des Detailhandels (Verkauf) sehr stark ausgeprägt.

Die Diskriminierung im Bewerbungsverfahren ist in beiden Sprachregionen verbreitet, mit ähnlichen Ausprägungen der beschriebenen ethnischen Hierarchie.

Werden die Migrant*innen Opfer von Diskriminierung?

Definition:

Diskriminierung: Die Ungleichbehandlung von ähnlichen Personen oder Gruppen aufgrund bestimmter Merkmale wie z. B. Geschlecht, ethnischer Hintergrund oder Hautfarbe.

Quellen:

Zschirnt, Eva and Rosita Fibbi (2019). „Do Swiss Citizens of Immigrant Origin Face Hiring Discrimination in the Labour Market?“ nccr – on the move, Working Paper # 20. Neuchâtel: nccr – on the move, February 2019.

Fibbi, Rosita, Didier Ruedin, Robin Stünzi, and Eva Zschirnt (2022). “Hiring Discrimination on the Basis of Skin Colour? A Correspondence Test in Switzerland.” Journal of Ethnic and Migration Studies 48, no. 7: 1515–35. https://doi.org/10.1080/1369183X.2021.1999795.

Hinweis zum Verfahren: Dieser Indikator basiert auf den Ergebnissen einer Studie, die 2017 und 2018 in der Schweiz durchgeführt wurde. Die Resultate beziehen sich auf vier Gruppen (Schweizer Doppelbürger*innen mit deutschen/französischen, kamerunischen, kosovarischen oder türkischen Namen), zwei Regionen (deutsch- und französischsprachige Schweiz) und zwei Berufe (Verkäufer*innen und Elektriker).

Das Ausmass der Diskriminierung bei der Bewerbung wird mit einer experimentellen Methode gemessen: Die Forscher*innen reichen fiktive schriftliche Bewerbungen auf öffentlich ausgeschriebene Stellen ein. Die fiktiven Kandidat*innen haben gleichwertige Qualifikationen, aber unterscheiden sich in der Variable, deren Auswirkungen man untersuchen will – in diesem Fall die Herkunft. Sie haben demnach einen Migrationshintergrund und sind Doppelbürger*innen (der Schweiz und der Herkunftslandes der Eltern), in der Schweiz ausgebildet und verfügen über Schweizer Diplome. Ihre ethnische Herkunft wird durch ihren Namen, die Staatsangehörigkeit des Herkunftslandes ihrer Eltern und die Beherrschung zweier entsprechender Hauptsprachen signalisiert. Die Erhebung fokussiert auf den entscheidenden Moment der Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Das Ausmass der Diskriminierung wird ausgedrückt als das Verhältnis zwischen der Anzahl der Bewerbungen, die eine Person mit Migrationshintergrund benötigt, um eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch zu erhalten und der Anzahl der Bewerbungen, die eine Person mit Schweizer Herkunft benötigt, um das gleiche Ergebnis zu erzielen. So müssen Kandidierende kosovarischer Herkunft 144 Bewerbungen einreichen, während Kandidierende schweizerischer Herkunft 100 Bewerbungen verschicken müssen.

Diese als Korrespondenztest bezeichnete Methode wurde von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) entwickelt, um die Ungleichheit beim Zugang zum Arbeitsmarkt zu messen und gilt heute als internationaler Standard. Diese Methode nutzt ein experimentelles Design, um eindeutige und überzeugende Resultate zu Diskriminierung im Rekrutierungsverfahren zu liefern.

Nutzungsbedingungen: Die Migration-Mobility Indicators werden kostenlos für nichtkommerzielle Zwecke zur Verfügung gestellt. Wir bitten die Benutzer*innen um Angabe der Bezugsquelle.

Vorgeschlagene Quellenangabe: nccr – on the move, Migration-Mobility Indicators. Neuchâtel: nccr – on the move, 2019.

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Letzte Aktualisierung: 10. Oktober 2019