Migrant*innensession im Kanton Luzern: Ein Meilenstein für die Inklusion und Beteiligung
Nach jahrelanger Vorbereitung und pandemiebedingter Verschiebung fand am 9. März 2024 die erste Migrant*innensession im Kanton Luzern statt – ein wichtiger Meilenstein für die Integration und Beteiligung von Migrant*innen im Kanton. Im Vorfeld zur Session hatten Arbeitsgruppen verschiedene Forderungen zu Verbesserung der Integration, der sozialen Sicherheit und der politischen Partizipation formuliert, von denen sechs verabschiedet wurden. Für deren Umsetzung ist nun die Politik gefragt.
Der Verein Migrant*innenparlament (MiP) Kanton Luzern wurde 2019 gegründet, um die politische Partizipation von Migrant*innen im Kanton zu fördern. Der Verein ist politisch und konfessionell unabhängig und setzt sich dafür ein, dass alle Menschen im Kanton Luzern, unabhängig von ihrer Nationalität, Aufenthaltsgenehmigung, Bildung und ihrem Alter, die Möglichkeit zur politischen Mitbestimmung haben.
Kernthemen: Integrationspolitik, soziale Sicherheit und politische Partizipation
Die erste Session des Migrant*innenparlaments Kanton Luzern hätte ursprünglich im Frühling 2020 stattfinden sollen, musste aber aufgrund der COVID-19-Pandemie verschoben werden. Seit Anfang 2023 ist der Verein wieder aktiv und hat im Vorfeld der MiP in verschiedenen Arbeitsgruppen an seinen politischen Forderungen gearbeitet. Die Gruppen haben sich insbesondere mit den drei Kernthemen Integrationspolitik, soziale Sicherheit und politische Partizipation befasst und ambitionierte Massnahmenvorschläge zur verstärkten Gleichberechtigung der Migrant*innen formuliert.
Zur Verbesserung der Integrationspolitik fordern die Arbeitsgruppen, dass die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse verbessert wird. Sie verlangen zudem eine vermehrte Förderung von Sprachkursen und Massnahmen zur Stärkung der interkulturellen Kompetenzen.
Zur Stärkung der sozialen Sicherheit orten die Arbeitsgruppen in erster Linie einen Handlungsbedarf in Bezug auf einen verbesserten Zugang von Migrant*innen zu Sozialleistungen. Weiter soll sich der Kanton vermehrt für die Bekämpfung von Diskriminierung und die Förderung der Chancengleichheit einsetzen.
Zur Intensivierung der politischen Partizipation fordern die Arbeitsgruppen eine Einführung des Ausländer*innenstimmrechts auf Gemeindeebene. Zudem sollen für Migrant*innen mehr Möglichkeiten geschaffen werden, sich in politischen Gremien zu engagieren.
Mehr Rechte für Migrant*innen
Darüber hinaus haben die Arbeitsgruppen eine Reihe zusätzlicher aufenthaltsrechtlicher und sozialpolitischer Massnahmen vorgeschlagen. Dazu gehört die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung B bei guter Integration: Migrant*innen, die sich gut in die Gesellschaft integriert haben, sollen die Möglichkeit haben, ihre Aufenthaltsbewilligung B um mehr als für ein Jahr zu verlängern. Weiter wird ein Recht auf das Arbeiten mit Kopftuch gefordert: Migrant*innen, die ein Kopftuch tragen, sollen nicht diskriminiert werden und auch im öffentlichen Dienst arbeiten dürfen. Häusliche Gewalt gegen Migrant*innen soll ernster genommen und konsequenter verfolgt werden. Migrant*innen, die sich von ihren Partner*innen trennen oder scheiden lassen wollen, sollen auch dann weiterhin Anspruch auf Familiennachzug haben, wenn sie nicht nachweisen können, dass die Trennung oder Scheidung nicht in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt. Die Wartelisten für psychologische Unterstützung sollen verkürzt werden und der Zugang zu psychologischen Behandlungen sollte auch für Sans-Papiers ermöglicht werden. Ausländische Menschen, die Nothilfe beziehen, sollen die Möglichkeit haben, zu arbeiten, und sich an der Gesellschaft zu beteiligen.
Sechs Forderungen verabschiedet
Die erste Session des Migrant*innenparlaments des Kantons Luzern hat eine Plattform geboten, um diese Forderungen zu diskutieren und weiter zu entwickeln. In ihren Voten schilderten die Mitglieder des Parlaments ihre persönlichen Erfahrungen und Meinungen und die Notwendigkeit der konkreten Forderungen.
Nach einer engagierten Diskussion wurden die sechs Forderungen mit den meisten Stimmen verabschiedet. Darunter fallen eine «Kantonsinitiative zur Senkung der Hürden zur Niederlassungsbewilligung C», «Menschenrechte bei Ausschaffungen», «Zugang zu Bildung und Ausbildung für Jugendliche Sans-Papiers», «Verbesserung der psychischen Gesundheit», «Anerkennung von Bildungsleistungen bei Statuswechsel» und die «Regularisierung von registrierten Sans-Papiers».
Nun sind die politischen Entscheidungsträger*innen gefordert
Die verabschiedeten Forderungen können nun von luzernischen Kantonsrät*innen eingereicht werden, während das MiP sich von zivilgesellschaftlicher Seite für ihre Umsetzung engagieren wird. Die anwesenden Politiker*innen zeigten sich beeindruckt vom Engagement der MiP-Teilnehmenden und die Regierungsrätin Michaela Tschuor betonte, dass die politischen Entscheidungsträger*innen deren Anliegen gehört hätten und bei einzelnen Forderungen bereits erste Schritte zur Umsetzung planten.
Die Session bot somit eine gute Gelegenheit, um auf die Forderungen aufmerksam zu machen und den politischen Willen für deren Umsetzung zu stärken. Dilber Hasso, Co-Präsidentin des Migrant*innenparlaments und Ali Azimi, Vorstandsmitglied, fassten ihre Bedeutung folgendermassen zusammen: «Die Lösung für die Integration besteht darin, sich auf gesellschaftlicher und politischer Ebene beteiligen zu können. Dafür brauchen wir konkrete Räume. Die Migrant*innensession war ein wichtiger Meilenstein für die Gleichberechtigung von Migrant*innen im Kanton Luzern. Wir wollten mit dieser Session zeigen, dass wir Teil der Gesellschaft sind und dass wir uns für unsere Rechte und Interessen einsetzen.» Die Politik ist nun gefordert, die Anliegen der MiP-Teilnehmenden ernst zu nehmen und konkrete Schritte zu ihrer Umsetzung zu unternehmen.
Erbil Günes und Ghina Kassem sind Vorstandsmitglieder des Migrant*innenparlaments Kanton Luzern und wirken im Organisationskomitee für die Migrant*innensession mit.