Eine erleichterte Einbürgerung?
Am 12. Februar 2017 entscheidet das Schweizer Stimmvolk über die Einführung einer erleichterten Einbürgerung für Kinder und Jugendliche, die in 3. Ausländergeneration in der Schweiz leben. Wer wird tatsächlich Zugang zu dieser neuen Einbürgerungsart haben? Wie ändert sich das Einbürgerungsverfahren? Und wird die Einbürgerung junger Ausländerinnen und Ausländer dadurch tatsächlich erleichtert?
Die Voraussetzungen der erleichterten Einbürgerung
Stimmen Volk und Stände der Revision von Art. 38 Bundesverfassung zu, dann werden sich Ausländerinnen und Ausländer der 3. Generation künftig in der ganzen Schweiz erleichtert einbürgern lassen können. Als 3. Ausländergeneration im Sinne des neuen Art. 24a Bürgerrechtsgesetz gelten junge Menschen, bei denen ein Grosseltern- und ein Elternteil bereits in der Schweiz gelebt hat und die selbst hier geboren wurden und zur Schule gegangen sind. Neben diesen formalen Voraussetzungen wird wie bei einer ordentlichen Einbürgerung geprüft, ob die betroffene junge Person «integriert» ist. Obwohl die Person in der Schweiz aufgewachsen ist, wird also deren Integration nach den Kriterien von Art. 26 BüG (bzw. Art. 12 nBüG) gemessen. Die erleichterte Einbürgerung für Personen der 3. Ausländergeneration – junge Menschen, deren Heimat die Schweiz ist – ist so immer noch an strikte Voraussetzungen geknüpft.
Die Gründe für ein erleichtertes Einbürgerungsverfahren
Heute geniessen bestimmte Personen die Möglichkeit einer erleichterten Einbürgerung. Dazu gehören in erster Linie EhegattInnen von Schweizer Staatsangehörigen. Das Schweizer Bürgerrechtssystem ist stark durch das Prinzip des jus sanguinis geprägt, also des Bürgerrechtserwerbs über die Abstammung, das die Ehe und Familie als Grundlage der Sozialisierung sieht. So wird die Heirat einer ausländischen Person in eine Schweizer Familie als Garant gesehen, dass sich diese schnell und einfach in die schweizerischen Verhältnisse eingliedert und «Schweizer Werte» übernimmt. Die EhegattInnen von Schweizerinnen und Schweizern können sich daher erleichtert einbürgern lassen, wenn sie 3 Jahre verheiratet sind und 5 Jahre in der Schweiz leben, was gegenüber dem ordentlichen Einbürgerungsverfahren eine wesentliche Erleichterung darstellt.
Die Erleichterung für die 3. Ausländergeneration folgt einer ähnlichen Logik: Die Jahre, die die Eltern und Grosseltern bereits in der Schweiz verbracht haben, wie auch der Besuch der obligatorischen Schule werden als Zeichen für die gute Integration der jungen Personen gewertet. Darüber hinaus soll mit dieser Vorlage auch die politische Partizipation der 3. Ausländergeneration erleichtert werden – die Jungen sollen sich an den Entscheiden beteiligen können, die sie betreffen.
Das Verfahren als entscheidende Erleichterung
Während sich die Anforderungen an Integration mit jenen bei der ordentlichen Einbürgerung decken, besteht der wesentliche Vorteil der erleichterten Einbürgerung im vereinfachten Verfahren. Zuständig für die erleichterte Einbürgerung ist der Bund, genauer das Staatssekretariat für Migration (SEM), das gestützt auf die Abklärungen und Empfehlungen des Kantons über die Gewährung des Bürgerrechts entscheidet.
Um die Besonderheiten des vereinfachten Einbürgerungsverfahrens besser aufzeigen zu können, möchten wir dieses mit dem ordentlichen Verfahren vergleichen, wobei zu betonen ist, dass sich das Verfahren in anderen Kantonen deutlich unterscheiden kann. Nehmen wir also das Beispiel einer Gesuchstellerin im Kanton Freiburg.
Grafik: Ordentliches Einbürgerungsverfahren im Kanton Freiburg und erleichtertes Verfahren
Das erleichterte Einbürgerungsverfahren wird eröffnet, wenn die einbürgerungswillige Person beim SEM ein entsprechendes Gesuch einreicht. Die neue erleichterte Einbürgerung erfolgt also nicht automatisch, sondern nur auf Antrag. Mit dem Gesuch müssen jene Dokumente eingereicht werden, die beweisen beziehungsweise glaubhaft machen, dass die formalen Voraussetzungen erfüllt sind. Nach einer formellen Prüfung holt das SEM beim Kanton weitere Informationen zur Integration der Gesuchstellerin ein.
Im Fall von Freiburg führt das zuständige kantonale Amt (IAEZA) eine vertiefte Erhebung über die Gesuchstellerin durch. Das IAEZA überprüft zum einen die Situation der Gesuchstellerin und nimmt in die Steuerunterlagen, das Betreibungsregister, das Strafregister und Angaben des Sozialamtes Einsicht. Zum anderen muss die Gesuchstellerin in einer langen Anhörung ihre Motivation für die Einbürgerung, ihr Lebenslauf, ihre berufliche Entwicklung und ihren Alltag erläutern. Sie wird ausserdem zu ihren Kenntnissen der aktuellen Geschehnisse, den Institutionen und den Bräuchen in Freiburg und der Schweiz befragt. Auf der Grundlage des vom IAEZA zusammengestellten Dossiers und dessen Empfehlung prüft das SEM das Gesuch materiell und entscheidet über die Einbürgerung.
Das ordentliche Einbürgerungsverfahren, das im kantonalen Recht (BRG) geregelt ist, umfasst dagegen deutlich mehr Verfahrensschritte. Nach dem Einreichen des Einbürgerungsgesuchs beim Kanton führt das IAEZA ebenfalls eine vertiefte Erhebung durch. Dann geht das Dossier an die Gemeinde, die eine zusätzliche Untersuchung vornimmt, die Person erneut anhört und über die Gewährung des Gemeindebürgerrechts entscheidet. Danach erteilt das SEM die eidgenössische Einbürgerungsbewilligung. Schliesslich geht das Dossier zurück an den Kanton, wo die Gesuchstellerin erneut von einer Einbürgerungskommission angehört wird, bevor das Kantonsparlament das Kantonsbürgerrecht erteilt. In der Praxis ist diese letzte Anhörung für KandidatInnen der 2. Generation fakultativ. Noch einmal aufgeboten werden aber sicher jene Personen, deren Dossier als problematisch angesehen wird. Mit insgesamt mehr als 12 Verfahrensschritten und einer minimalen Dauer von 18 bis 24 Monaten ist die ordentliche Einbürgerung ein langes und teures Verfahren.
Aufgrund der Zuständigkeit des SEM würde das neue erleichterte Einbürgerungsverfahren also schneller gehen und weniger kosten als das ordentliche Verfahren. Für die einbürgerungswilligen Personen hat es den wesentlichen Vorteil, dass die Voraussetzungen für die erleichterte Einbürgerung schweizweit die gleichen wären, womit das Verfahren transparenter wird. Zudem wird vermieden, dass jemand durch einen Umzug auf Jahre von der Einbürgerung ausgeschlossen ist. Beim Verfahren zeigen sich also die entscheidenden Unterschiede zwischen der ordentlichen und der erleichterten Einbürgerung.
Eher politische Anerkennung als tatsächliche Erleichterung
Die Voraussetzungen für eine erleichterte Einbürgerung von Personen der dritten Generation sind streng. Diejenigen Personen, die die Voraussetzungen erfüllen, würden auch jene für eine ordentliche Einbürgerung erfüllen. Die erleichterte Einbürgerung ist nur insofern erleichtert, als dass sie ein einfacheres, schnelleres, transparenteres und günstigeres Verfahren beinhaltet. Angesichts der Tatsache, dass Personen der 3. Ausländergeneration Schweizer Kinder sind, ist ein erleichterter Zugang zum Bürgerrecht ein wichtiger Schritt hin zu einer Gleichbehandlung von Personen mit ausländischer Herkunft. Der 3. Ausländergeneration ein vereinfachtes Einbürgerungsverfahren zu eröffnen, bedeutet vor allem auch diesen jungen Menschen zu signalisieren, dass sie einen Platz in der Schweiz und eine Stimme bei den sie betreffenden politischen Entscheiden haben.
Barbara von Rütte
Doktorandin, nccr – on the move, Universität Bern
Anne Kristol
Doctorante, nccr – on the move, Université de Neuchâtel
Today, some 25 % of the people over 18 years old who live in Switzerland do not have the right to active political participation at the federal level because they are not naturalized and, thus, do not have a Swiss passport. The nccr – on the move publishes a series of blog posts on naturalization in Switzerland, providing facts and figures in the run-up to the vote on facilitated naturalization of 3rd generation foreigners, which will take place on 12 February 2017.