Erleichterte Einbürgerung für Ausländerinnen und Ausländer der dritten Generation
Neben der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative und der AHV-Reform ging ein weiterer Beschluss des Parlaments in der Herbstsession fast vergessen. National- und Ständeräte haben einer Verfassungsänderung zugestimmt, die die erleichterte Einbürgerung für Ausländerinnen und Ausländer der dritten Generation einführen will. Eine Lockerung des restriktiven Schweizer Bürgerrechts? Ein genauer Blick auf die Vorlage zeigt, dass die Hürden für die Einbürgerung ausländischer Jugendlicher weiterhin hoch sind.
«Die Schweiz muss ihre Kinder anerkennen»
Es war im Jahr 2008 als die Waadtländer SP-Nationalrätin Ada Marra eine parlamentarische Initiative mit dem Titel «Die Schweiz muss ihre Kinder anerkennen» einreichte. Vier Jahre nachdem das Stimmvolk die erleichterte Einbürgerung für Ausländerinnen und Ausländer der zweiten und dritten Generation abgelehnt hatte, sollte die Frage des erleichterten Zugangs zum Bürgerrecht für Kinder und Jugendliche, die in der Schweiz aufgewachsen sind, erneut auf das politische Parkett gebracht werden. Die parlamentarische Initiative schlug vor, Ausländerinnen und Ausländer der dritten Generation auf Gesuch hin erleichtert einzubürgern. Die kantonal unterschiedlichen Einbürgerungserleichterungen für in der Schweiz geborene Jugendliche sollten vereinheitlicht und die Kompetenz dafür an den Bund übertragen werden. Mit der Möglichkeit der erleichterten Einbürgerung sollten Jugendliche der dritten Generation als «Kinder» der Schweiz und damit als Bürgerinnen und Bürger mit vollen politischen Rechten anerkannt werden.
Die zuständigen vorberatenden Kommissionen stimmten der Vorlage zu; doch dann Verschwand das Geschäft für mehr als fünf Jahre von der Bildfläche. Erst nach Abschluss der Totalrevision des Bürgerrechtsgesetzes wurde die Vorlage im Herbst 2014 wieder aufgenommen. Nachdem sich sowohl die Staatspolitische Kommission des Nationalrates wie auch der Bundesrat für das Anliegen ausgesprochen haben, kam die Initiative in der Herbstsession 2015 ins Parlament. Nun haben sich die beiden Räte auf die Details geeinigt und einer Änderung des Bürgerrechtsgesetzes (BüG) und der Verfassung (BV) am 28. September 2016 zugestimmt. Eine grosse Hürde ist allerdings noch zu nehmen – die Einführung der erleichterten Einbürgerung macht eine Änderung der Bundesverfassung, konkret des Art. 38 BV notwendig und braucht daher in jedem Fall die Zustimmung des Volkes. Ein genauer Zeitpunkt für diese Volksabstimmung ist noch nicht bekannt.
Wie erleichtert ist die Einbürgerung für die 3. Generation?
Die nun beschlossene Regelung besteht aus zwei Teilen. Zum einen sieht die Vorlage eine Verfassungsänderung vor. Art. 38 Abs. 3 BV soll neu die Grundlage für die Kompetenz des Bundes zur Regelung der erleichterten Einbürgerung der dritten Ausländergeneration bilden. Zum anderen soll zur Umsetzung auf Gesetzesstufe ein neuer Art. 24a BüG eingeführt werden, der die Details der erleichterten Einbürgerung regelt. Die Bedingungen sind restriktiv. Die erleichterte Einbürgerung einer Person, die bereits in der dritten Generation in der Schweiz lebt, setzt voraus, dass:
- ein Grosselternteil in der Schweiz geboren worden ist oder ein Aufenthaltsrecht besitzt, respektive besessen hat;
- ein Elternteil über eine Niederlassungsbewilligung verfügt, mindestens zehn Jahre in der Schweiz ist und hier während mindestens fünf Jahren die obligatorische Schule besucht hat;
- und das Kind selbst in der Schweiz geboren wurde, eine Niederlassungsbewilligung besitzt und hier während mindestens fünf Jahren die obligatorische Schule besucht hat.
Darüber hinaus müssen die allgemeinen Voraussetzungen für eine erleichterte Einbürgerung gemäss Art. 26 BüG (Art. 20 in Verbindung mit Art. 12 nBüG) erfüllt sein. Es wird also auch verlangt, dass die gesuchstellende Person in der Schweiz integriert ist, die Rechtsordnung beachtet und die innere und äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährdet. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann die betroffene Person bis zum 25. Geburtstag ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung stellen. Die Einbürgerung erfolgt also nicht automatisch bei Geburt im Sinne eines ius soli. Vielmehr muss die betroffene Person selbst innert der Frist ein Gesuch stellen und die nötigen Dokumente vorlegen, um zu beweisen – beziehungsweise in Bezug auf den Aufenthalt der Grosseltern glaubhaft zu machen – dass die Voraussetzungen erfüllt sind. Damit verbleibt den Behörden weiterhin ein grosser Ermessensspielraum. Ausserdem dürfte die Einbürgerung für die gesuchstellende Person vergleichsweise aufwendig sein, da zum Beweis der Voraussetzungen zahlreiche Dokumente eingereicht werden müssen.
Weit weg von einem automatischen Erwerb des Bürgerrechts
Die Hürden für den Erwerb des Schweizer Bürgerrechts sind mit der beschlossenen Regelung nach wie vor hoch. Es besteht zwar ein Anspruch auf erleichterte Einbürgerung für die ausländische Person der dritten Generation, die Einbürgerung erfolgt aber nicht automatisch und nicht bei Geburt. Dies entspricht den Anliegen des Parlaments, das stark betont hat, kein ius soli einführen zu wollen. Ein ius soli liegt dann vor, wenn das Bürgerrecht automatisch mit der Geburt erworben wird. Von einem (doppelten) ius soli spricht man, wenn Personen der zweiten Generation mit der Geburt automatisch eingebürgert werden. Zahlreiche andere europäische Staaten haben in den letzten Jahren solche ius soli-Mechanismen eingeführt, die Ausländerinnen und Ausländern der zweiten und dritten Generation den automatischen Erwerb der Staatsangehörigkeit oder aber eine deutlich erleichterte Einbürgerung ermöglichen. Davon ist die Schweiz auch weiterhin weit weg – weder ist der vorgeschlagene Einbürgerungsmechanismus automatisch, noch erfolgt die Einbürgerung mit der Geburt. Vielmehr steht den schätzungsweise ca. 5’000 Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation nur eine Einbürgerung offen, die sich im Ergebnis kaum von der ordentlichen Einbürgerung unterscheidet – abgesehen von der zwölfjährigen Wohnsitzfrist, die Personen, die in der Schweiz aufgewachsen sind normalerweise sowieso erfüllen. Es bleibt zu sehen, welche Erleichterungen die neue Bestimmung für die Einbürgerung von Personen der dritten Ausländergeneration tatsächlich bringen wird. Das Versprechen die Kinder der dritten Ausländergeneration endlich als Bürgerinnen und Bürger anzuerkennen, kann die Vorlage mit ihren engen Voraussetzungen jedenfalls nicht überzeugend erfüllen.
Barbara von Rütte
Doktorandin, nccr – on the move, Universität Bern