Die Züri City Card – eine städtische Identitätskarte für alle
Der Gemeinderat der Stadt Zürich hat am 31. Oktober 2018 dem Stadtrat eine Motion zur Ausarbeitung der « Züri City Card » überwiesen. Nun muss der Stadtrat innert zwei Jahren eine Vorlage ausarbeiten, mit der die städtische Identitätskarte für alle Stadtbewohner*innen eingeführt werden könnte. In diesem Blogbeitrag gehe ich auf die Entstehung dieser Motion ein und stelle die involvierten Akteure vor.
Gemäss einer Studie des Staatssekretariates für Migration SEM (2015) leben in der Stadt Zürich 14’000 Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus – sogenannte Sans-Papiers. Sie gehören zu den vulnerabelsten Personen in unserer Gesellschaft, weil sie ihre Grundrechte nicht wahrnehmen können. So können Sans-Papiers – wenn sie Opfer von Gewalt oder Ausbeutung werden – keine Anzeige erstatten, ihr Zugang zum Gesundheitswesen ist äusserst eingeschränkt, sie können keine Haftpflichtversicherung abschliessen, keinen Handyvertrag lösen, kein Bankkonto eröffnen, keine eigene Wohnung mieten und sie haben kein Anrecht auf staatliche Unterstützung. Im Alltag bewegen sie sich in ständiger Angst vor einer zufälligen Kontrolle, einer Denunziation oder einer Auffälligkeit, die das Interesse der Polizei oder anderer Behörden wecken könnte und so zum Verlust ihrer Existenz in der Schweiz führen könnte. Sans-Papiers leben deshalb im Schatten der Gesellschaft und sind für die Behörden nicht existent – auch in der Stadt Zürich.
Mehr Sicherheit für Sans-Papiers
Mit dem Konzept der « Urban Citizenship » soll die rechtliche und soziale Teilhabe aller in Zürich lebenden Menschen sicher gestellt werden. Eine mögliche Massnahme nach dem Vorbild verschiedener nordamerikanischer Städte ist die Einführung eines städtischen Ausweises für alle Zürcherinnen und Zürcher. Die US-amerikanischen « Sanctuary Cities » (Zufluchtsorte) – siehe dazu auch der Beitrag von Loren Collingwood – stellten fest: Ein Gemeinwesen kann nicht funktionieren, wenn ein beträchtlicher Teil der Bewohner*innen öffentliche Einrichtungen wie Spitäler meidet und Angst hat, im Notfall die Polizei zu rufen. Die Sanctuary Cities entwickelten deshalb eigene Identitätskarten (Municipal ID Cards), die alle Inhaber*innen als Stadtbürger*innen ausweisen. Sans-Papiers erhalten so eine Aufenthaltssicherheit im städtischen Raum und werden bei der Einforderung ihrer Rechte unterstützt.
Die Züri City Card kommt
Was in vielen anderen Städten bereits funktioniert, soll auch in Zürich möglich werden. Ein umfassendes Regularisierungsprogramm analog der « Opération Papyrus » in Genf ist im Kanton Zürich politisch jedoch nicht mehrheitsfähig. Aus diesem Grund haben wir, hervorgehend aus dem Projekt « Die ganze Welt in Zürich« , im Sommer 2017 den Verein « Züri City Card » mit Fokus auf die Stadt Zürich gegründet. Im Vorstand unseres zivilgesellschaftlich breit abgestützten und im In- und Ausland vernetzten Vereins beteiligen sich Vertreter*innen von politischen, kirchlichen, kulturellen und öffentlich-rechtlichen Institutionen und verschiedenen NGOs.
Ziel unseres Vereins ist eine pragmatische Lösung zur Verbesserung der Situation der Sans-Papiers in der Stadt Zürich. Zu diesem Zweck fordern wir die Einführung einer City Card für die gesamte Wohnbevölkerung des städtischen Grossraums Zürich. Diese würde insbesondere Sans-Papiers einen diskriminierungsfreien Zugang zu öffentlichen und privaten Leistungen ermöglichen, soll jedoch allen Bewohner*innen nützen – bspw. als Ermässigungskarte in Cafés, Museen und Läden. Die Rechte sowie die gesellschaftliche und politische Stellung aller Karteninhaber*innen würden so unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus gestärkt und das Tragen der Züri City Card liesse nicht automatisch auf einen Status als Sans-Papier schliessen.
Gespräche mit der Stadtregierung Zürichs haben wir bereits im Herbst 2015 aufgenommen und stehen seither in ständigem Austausch. Der Stadtrat rief daraufhin eine Arbeitsgruppe ins Leben, die eine Auslegeordnung der bereits bestehenden Dienstleistungen und Netzwerke für Sans-Papiers vornahm und ein Rechtsgutachten zur möglichen Einführung einer städtischen Identitätskarte in Auftrag gab. Im September 2018 bekannte sich die Stadtregierung zur ihrer Verantwortlichkeit auch für Stadtbewohner*innen ohne geregelten Aufenthalt und zeigte sich interessiert an der Prüfung weiteren Schritte hin zu einer städtischen Identitätskarte. Auf dieser Grundlage hat der Gemeinderat der Stadt Zürich unserem Anliegen zugestimmt und am 31. Oktober 2018 eine Motion zur Einführung einer Identitätskarte für Zürich an den Stadtrat überwiesen. Nun bleibt dem Stadtrat noch etwas weniger als ein Jahr Zeit, um dem Gemeinderat einen Vorschlag für die Einführung einer City Card zu unterbreiten.
Unser Verein hat nicht nur mit städtischen Gremien zusammengearbeitet, sondern sich auch an die Stadtbevölkerung gewandt. Bereits über 8’400 Personen konnten wir dazu gewinnen, die Petition für eine Züri City Card zu unterschreiben. Auch weiterhin ist die Unterstützung aller Zürcher*innen gefragt. Je mehr Stadtbürger*innen uns – z.B. mit dem Kauf einer Supportkarte – unterstützen, desto eher wird die echte Züri City Card umgesetzt.
Bea Schwager ist im Vorstand des Vereins «Züri City Card» und Leiterin der Anlaufstelle für Sans-Papiers in Zürich.
Referenzen
– Morlok, Michael, Harald Meier, Andrea Oswald (B,S,S) Denise Efionayi-Mäder, Didier Ruedin, Dina Bader (SFM) und Philippe Wanner (Universität Genf) (2015). Sans-Papiers in der Schweiz 2015, Schlussbericht zuhanden des Staatssekretariats für Migration (SEM). Basel: B,S,S. Volkswirtschaftliche Beratung AG.