Vorläufig aufgenommene AusländerInnen (Aufenthaltsstatus F)

14.04.2016 , in ((Was meinen wir mit …)) , ((Keine Kommentare))
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Aktuell wird über den Aufenthaltstatus der vorläufigen Aufnahme sowohl auf medialer wie auch politischer Ebene diskutiert. Heutzutage verfügen mehr als 30’000 Personen über eine vorläufige Aufnahme. Was bedeutet vorläufige Aufnahme genau? Welche Rechte und Pflichten beinhaltet er und wo liegen die Schwierigkeiten und Herausforderungen dieses Aufenthaltsstatus?

Der Status der vorläufigen Aufnahme wurde im Jahr 1986 ins Asylgesetz eingeführt. Dies geschah auf dem Hintergrund der Tatsache, dass die Ausschaffung für immer mehr Asylsuchende nicht möglich oder zumutbar war und sie deshalb inhaftiert wurden. Diese Inhaftierung war als Ersatzmassnahme gedacht. Doch die Bedeutung dieser Ersatzmassnahme nahm im Laufe der Zeit zu. Von verschiedenen Seiten wie Kirchen, Hilfswerke, Menschenrechtsorganisationen und Bundesparteien (mit Ausnahme der SVP) wurde deshalb die Schaffung eines Auffangstatus für diese Personen angeregt. Der Bundesrat schlug vor, dass die Ersatzmassnahme die Bezeichnung «vorläufige Aufnahme» erhalten soll und diese so lange dauere, bis eine Ausschaffung durchführbar und zumutbar ist. Die Rechtstellung der «vorläufig aufgenommenen Ausländer» sah zu dieser Zeit weder Ansprüche auf Familiennachzug noch eine Umwandlung in eine andere Aufenthaltsbewilligung vor.

Aktuelle Regelungen

Gemäss dem heute geltenden Asylgesetz wird bei zwei verschiedenen Gruppen von Personen eine vorläufige Aufnahme angeordnet. Erstens bei denjenigen, bei welchen das Asylgesuch abgelehnt worden ist, jedoch der Vollzug der Weg- und Ausweisung (1) unmöglich (vollzugstechnische Gründe wie fehlende Transportmöglichkeiten in den Heimat- oder Herkunftsstaat, keine Möglichkeit zum Erhalt von Reisepapieren oder die Schliessung der Grenzen), (2) unzulässig (Verstoss gegen Völkerrecht) oder (3) unzumutbar (konkrete Gefährdung der Ausländerin oder des Ausländers) ist. Diese Personen erhalten den Titel vorläufig aufgenommener Ausländer/vorläufig aufgenommene Ausländerin (Ausweis F), geregelt in Art. 83 AuG. Davon abzugrenzen sind diejenigen Personen, die zwar als Flüchtling anerkannt sind, aber bei denen Asylausschlussgründe vorliegen, das heisst Asylunwürdigkeit (zum Beispiel aufgrund von verwerflichen Handlungen oder wegen Verletzung/Gefährdung der inneren oder äusseren Sicherheit der Schweiz) oder subjektive Nachfluchtgründe (was bedeutet, dass die Gefährdung erst nach der Ausreise aus dem Heimat- oder Herkunftsstaat erfolgt ist). Diese Personen sind vorläufig aufgenommene Flüchtlinge (Ausweis F). Im Unterschied zu vorläufig aufgenommen AusländerInnen stehen ihnen die Rechte gemäss der Genfer Flüchtlingskonvention zu.

Der F-Ausweis ist auf zwölf Monate befristet und kann verlängert werden. Jedes Jahr wird überprüft, ob die Voraussetzungen für die Anordnung der vorläufigen Aufnahme noch gegeben sind. Ist dies der Fall, wird der F-Ausweis verlängert. Sind die Voraussetzungen nicht mehr gegeben, wird der Vollzug der ursprünglich angeordneten Wegweisung angeordnet und die Person muss die Schweiz verlassen.

Eingeschränkte Mobilität

Vorläufig aufgenommene AusländerInnen können ihren Wohnsitz innerhalb des zugewiesenen Kantons frei wählen. Sie haben jedoch keinen Anspruch auf einen Kantonswechsel und ein Grenzübertritt wird nur in Ausnahmefällen gewährt. Reisen ins Ausland unterliegen sehr strengen Bedingungen und sind nur ausnahmsweise möglich.

Kein Recht auf Familiennachzug

Einen rechtlichen Anspruch auf Familiennachzug besteht nicht. Frühestens nach Ablauf von drei Jahren und unter den Voraussetzungen, dass (1) die Familienmitglieder zusammenwohnen werden, (2) eine bedarfsgerechte Wohnung vorhanden ist und (3) die Familie nicht auf Sozialhilfe angewiesen ist, kann der Nachzug des Ehegatten/der Ehegattin und der ledigen Kinder unter 18 Jahren bewilligt werden.

Kein Recht auf Erwerbstätigkeit

Vorläufig aufgenommene AusländerInnen unterstehen zwar einer Bewilligungspflicht, haben aber prinzipiell gleichen Zugang haben wie andere InländerInnen mit B-Bewilligung. Die kantonale Behörde kann ihnen eine Arbeitsbewilligung erteilen, sofern die gesetzlichen Lohn- und Arbeitsbedingungen eingehalten werden. Die Bewilligung wird unabhängig von der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage erteilt. Gleichzeitig unterstehen diese Personen der Sonderabgabepflicht, weshalb ihnen 10 Prozent des Erwerbseinkommens abgezogen und dem Bund überwiesen wird. Diese Pflicht endet drei Jahre nach Anordnung der vorläufigen Aufnahme respektive bei einem abgezogenen Betrag von Total CHF 15’000.

Recht auf Sozialhilfe

Vorläufig aufgenommene AusländerInnen haben Anspruch auf Sozialhilfe, wenn sie nicht selbständig für sich (und unter Umständen ihre Familie) aufkommen können. Die Kantone legen dabei die Sozialhilfe fest und richten diese auch aus.

Integration

Der Bund fördert die Integration von vorläufig aufgenommenen AusländerInnen mittels einer Integrationspauschale. Der einmalige Beitrag von CHF 6’000 pro Person dient zu Massnahmen der sozialen, kulturellen und beruflichen Integration von vorläufig Aufgenommenen AusländerInnen.

Erhalt der Aufenthaltsbewilligung (B-Bewilligung)

Personen die fünf Jahre über einen F-Ausweis verfügen und die gut integriert sind, haben die Möglichkeit ein Härtefallgesuch bei der zuständigen kantonalen Behörde zu stellen. Wenn der Kanton und letztinstanzlich das Staatssekretariat für Migration (SEM) das Gesuch gutheissen, erhalten diese Personen eine Aufenthaltsbewilligung (B-Bewilligung).

Schwierigkeiten und aktuelle Herausforderungen

Trotz ihrem Namen und der Möglichkeit, ein Härtefallgesuch zu stellen: Die vorläufige Aufnahme ist oft nicht vorläufig. Die Mehrheit dieser Personen verfügt nämlich über diesen Status seit mehr als sieben, manchmal auch zehn Jahren, was dem Wortlaut der vorläufigen Aufnahme wiederspricht. Ebenso beeinflusst der Name «vorläufige Aufnahme» die Chancen auf eine Arbeitsstelle negativ. Grund dafür ist die Unkenntnis über diesen Aufenthaltstatus und der damit verbundenen Rechte und Pflichten seitens der ArbeitgeberInnen.

Insgesamt zeigt die vorläufige Aufnahme zahlreiche Wiedersprüche auf. Einerseits sind die betroffenen Personen aufgefordert sich zu integrieren, jedoch legt die derzeitige Gesetzgebung ihnen Steine in den Weg. Durch die zahlreichen Einschränkungen bei der Mobilität, bei der Erwerbstätigkeit und beim Familiennachzug wird dem Umstand einer gesamtheitlichen Integration nicht Rechnung getragen.

Derzeit laufen Diskussionen über eine mögliche Änderungen der Bezeichnung dieses Aufenthaltstatus. Und, im Zuge der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative und unter dem Stichwort Förderung des InländerInnenpotentials hat der Bundesrat Massnahmen vorgeschlagen, die eine bessere Arbeitsmarktintegration der vorläufig aufgenommenen Personen vorsieht.

Stefanie Kurt, PostDoc, nccr – on the move, Universität Neuenburg
Didier Leyvraz, Doktorand am Zentrum für Migrationsrecht, Universität Neuenburg

 

Weitere Informationen zum Status der vorläufigen Aufnahme:

Schweizerisches Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR), „Vorläufige Aufnahme“: Zwischen Aufnahme und Ausschluss, zwischen vorläufig und unbestimmt, 2015.

Schweizerisches Forum für Migrations- und Bevölkerungsstudien, Aufenthaltsverläufe vorläufig Aufgenommener in der Schweiz. Datenanalyse im Auftrag der Eidgenössischen Kommission für Migrationsfragen EKM, Dezember 2014.

Dossier: Admission provisoire, le fardeau évitable (auf Französisch)
asile.ch: Plateforme d’information sur l’asile – Actualités et documentation sur les réfugiés en Suisse et dans le monde

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