Werden Schweizer*innen mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert?

25.03.2019 , in ((Blog series, Discrimination)) , ((Keine Kommentare))

Im Jahr 2018 hatten mehr als ein Drittel der Schweizer Wohnbevölkerung über 15 Jahre einen Migrationshintergrund, die meisten davon sind Einwanderer*innen der ersten Generation. Oft zeigt sich dieser Migrationshintergrund im Namen. Allerdings gibt es bisher nur wenig Daten, in wie fern sich solch ein ausländisch klingender Name auf die Chancengleichheit am Schweizer Arbeitsmarkt auswirkt.

Eine frühere Studie des SFM legte den Fokus auf den Übergang von der Ausbildung zum ersten Job und zeigte 2003, dass junge Lehrabgänger*innen mit Migrationshintergrund bei der Jobsuche gegenüber Schweizer Bewerbenden benachteiligt werden. Diese Ergebnisse zeigten eine signifikante Diskriminierung gegenüber Migrant*innen aus dem ehemaligen Jugoslawien in der gesamten Schweiz und gegenüber türkischstämmigen Bewerbenden in der Deutschschweiz.

Neue Ergebnisse: Ein „Correspondence Test“ auf dem Schweizer Arbeitsmarkt

Im Rahmen des «nccr – on the move» wurde nun eine neue experimentelle Studie über Rekrutierungsprozesse auf dem Schweizer Arbeitsmarkt durchgeführt. Um Diskriminierung in diesem Kontext messen zu können, wurde ein sogenannter „Correspondence Test“ durchgeführt, bei dem auf öffentlich zugängliche Stellenausschreibungen jeweils zwei fiktive Bewerbungen eingereicht werden. Beide Bewerbende sind gleichwertig qualifiziert und unterscheiden sich nur in ihrer Herkunft. Während des Experimentes wird genau dokumentiert welche Kandidatin oder Kandidat zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden – im Falle einer Einladung wird die Bewerbung schnell und höflich zurückgezogen.

Über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr wurden Bewerbungen auf mehr als 800 Stellenausschreibungen in der deutsch- und französischsprachigen Schweiz verschickt. Die bisherigen Forschungsergebnisse zeigen:

– Bewerbende mit ausländischen Namen müssen ca. 30% mehr Bewerbungen schreiben als Schweizer*innen, um für ein Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden.
– Je nach Herkunft des Namens erfahren Bewerbende mit Migrationshintergrund unterschiedliche starke Diskriminierung:
—Die Ungleichbehandlung von Kandidat*innen mit kosovarischen Namen ist fast immer statistisch signifikant und insgesamt am stärksten ausgeprägt: Deutet der Name auf eine kosovarische Herkunft hin, müssen ca. 40% mehr Bewerbungen verschickt werden.
— Stellensuchende deren Name auf eine Herkunft aus einem der Nachbarländer der Schweiz hinweist (d.h. Deutschland und Frankreich) erfahren teilweise statistisch signifikante Diskriminierung, z.B. bei der Bewerbung als Verkäufer*in in der Deutschschweiz, wo ca. 70% mehr Bewerbungen geschrieben werden müssen um für ein Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. In höher qualifizierten Berufen werden Bewerbende mit deutscher Herkunft sogar bevorzugt (60% weniger Bewerbungen für eine Stelle als HR-Fachmann-/frau).
— Gegenüber türkischstämmigen Kandidat*innen wurde keine statistisch signifikante Diskriminierung gemessen.
– Detailhandelsfachkräfte sind stärker von Diskriminierung betroffen als Elektroinstallateure. Kandidat*innen für Verkaufspositionen müssen mit ausländischen Namen ca. 50% mehr Bewerbungen verschicken, während es bei Elektroinstallateuren 16% sind. Bei letzterer Berufsgruppe wird dies besonders durch die Diskriminierung von kosovarisch-stämmigen Bewerbenden verursacht (ca. 40% mehr Bewerbungen).
– Unser Experiment zeigt keine signifikanten Unterschiede je nach Geschlecht der Bewerbenden. Männer und Frauen erfahren Diskriminierung in ähnlichem Ausmass.
– Schweizer*innen ausländischer Herkunft haben in der Deutschschweiz vergleichbare Chancen wie in der Romandie, zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden.
– Ergebnisse aus der Deutschschweiz zeigen, dass die Diskriminierung bei Stellen, die einen höheren Bildungsabschluss voraussetzen, geringer ist, als bei Stellen, für die „nur“ eine abgeschlossene Ausbildung (EFZ) nötig ist. Dieser Unterschied lässt sich für Bewerbende mit kosovarischer Herkunft jedoch nicht beobachten.

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Fazit

Schweizer*innen mit Migrationshintergrund erfahren auf dem Schweizer Arbeitsmarkt auf Grund ihrer Herkunft Diskriminierung. Insbesondere bei Bewerbenden, die doppelte Staatsbürger*innen sind und ihre komplette schulische und berufliche Ausbildung in der Schweiz absolviert haben, ist diese Ungleichbehandlung äusserst problematisch. Die Ergebnisse sind ausserdem besorgniserregend, da die fiktiven Kandidat*innen „ideale“ Bewerbende darstellen – sie waren noch nie arbeitslos, verfügen über eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung und positive Bewertungen ihrer bisherigen Arbeit. Dementsprechend misst die Studie nur ein Minimum an Diskriminierung, nämlich jene für qualitativ hochwertige Bewerbende, und nur an einem Punkt: Der Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Ausserdem muss beachtet werden, dass nur eine begrenzte Anzahl von Berufen und Herkunftsändern getestet wurde, was die Möglichkeit, die Ergebnisse auf den gesamten Schweizer Arbeitsmarkt zu verallgemeinern einschränkt.

Da die Schweiz, als eines der wenigen Länder, über kein allgemeines Anti-Diskriminierungsgesetz verfügt, haben Betroffene kaum Chancen sich in Diskriminierungsfällen zur Wehr zu setzen. Es ist deshalb wenig erstaunlich, dass die Schweiz im Migration Policy Index (MIPEX) was den Schutz vor Diskriminierung angeht auf dem viertletzten von 38 Plätzen landet – nur die Türkei, Japan und Island schneiden noch schlechter ab.

Detaillierte Informationen zu den Ergebnissen der Studie finden Sie im Working Paper #20 Do Swiss Citizens of Immigrant Origin Face Hiring Discrimination in the Labour Market?

Eva Zschirnt ist PostDoc am Max Weber Fellow am European University Institute in Florenz. Zwischen 2014 und 2018 war sie Doktorandin des nccr – on the move.

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