Ist es fair und richtig, von gewählten Politiker*innen zu verlangen, dass sie ihren ausländischen Pass abgeben?

02.11.2017 , in ((Blog series, Dual Citizenship of Politicians, Politik)) , ((Keine Kommentare))

20. September 2017: Ignazio Cassis wird neu zum Bundesrat gewählt. Er hätte der erste Bundesrat mit Doppelbürgerrecht werden können – wenn er vor der Wahl nicht entschieden hätte, seine italienische Staatsangehörigkeit aufzugeben, ohne dass eine entsprechende rechtliche Pflicht bestehen würde.

Seit 1992 lässt die Schweiz das Doppelbürgerrecht zu. Die Pflicht, seine andere Staatsangehörigkeit aufzugeben, gilt nun also schon seit mehr als 25 Jahren nicht mehr: und zwar unabhängig davon, wie sie erworben wurde. Diese Entwicklung entspricht dem geltenden Völkerrecht, das zunehmend anerkennt, dass die Staatsangehörigkeit – einschliesslich der doppelten oder mehrfachen Staatsangehörigkeit – einen menschenrechtlichen Gehalt hat, da diese einen zentralen Bestandteil der sozialen Identität einer Person darstellt. Aus juristischer Sicht war Ignazio Cassis also unbestrittenermassen nicht verpflichtet, seine italienische Staatsangehörigkeit aufzugeben.

Ist es fair, dennoch zu verlangen, dass er seinen ausländischen Pass abgibt? Dies ist in erster Linie eine politische Frage, die unterschiedlich beantwortet werden kann. Man könnte beispielsweise argumentieren, dass Cassis enge Beziehungen zu Italien hat und daher auch ein grosses Interesse hat, beide Pässe zu behalten. Man könnte aber auch die Frage aufwerfen, ob er eines Tages als Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten genügend loyal wäre, um die Schweiz in Verhandlungen mit Italien zu vertreten. Dennoch – müssten wir bei einer solchen Argumentation nicht auch verlangen, dass Politiker*innen beispielsweise ihr Eigentum in anderen Ländern aufgeben?

Die grundsätzliche Frage ist daher wohl eher, ob eine Person vertrauenswürdig und fähig ist, ein politisches Amt innezuhaben und nicht, ob diese Person einen oder mehrere Pässe hat. Aus rechtlicher Sicht ist klar, dass letzteres kein Hindernis sein darf.

Barbara von Rütte
Doktorandin, nccr – on the move, Universität Bern

 

Ab 1. November 2017 ist Ignazio Cassis einer der sieben Bundesrät*innen der Schweiz. Seine Wahl ist geschichtlich bedeutend. Cassis ist der erste Bundesrat, der bei Geburt noch kein Schweizer Staatsangehöriger war. Er hätte auch der erste Bundesrat mit Doppelbürgerrecht werden können – hätte er vor der Wahl nicht entschieden, seine italienische Staatsangehörigkeit aufzugeben. Der «nccr – on the move» publiziert eine kurze Reihe von Blog-Beiträgen mit Gedanken zu rechtlichen und politischen Fragen zum Doppelbürgerrecht gewählter Politiker*innen.

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